MÄRCHEN MEETS METEOROLOGIE
Rezension in Text 📝 [↓] & Ton 🔊 [ ↳ ] von 🌨️ "Die Essenz des Winters" von Karolina Strauber
Beitrag zu:
Winterwaldträume
Geschichten der verschneiten Jahreszeit
👀 >>>MEINE LESEEMPFEHLUNG AUF 1 BLICK
5 Sterne für eine Fantasy-Kurzgeschichte mit Botschaft, die mir angenehm viel Spielraum für eigene Gedanken lässt:
⭐ ⭐ ⭐ ⭐ ⭐
📝>>> INHALT
Verkörperungen der vier Jahreszeiten als Menschen mit besonderen Eigenschaften sorgen dafür, dass diese sich in unserem Klima ausprägen. Die Geschichte, die Karolina Straube erzählt, wird aus der Sicht des Winters dargestellt: Liora hat das Erbe ihres Vaters Jack Frost nur unfreiwillig angetreten und fühlt sich furchtbar unter Druck gesetzt, da es ihr nicht gelingen will, auf der Erde wirklich Winterwetter herbeizuführen. An Entschlossenheit, Fleiß und Wissen mangelt es ihr nicht, denn sie hat ihren Vater stets gut beobachtet und seine Aufzeichnungen gewissenhaft studiert - trotzdem sind die anderen Jahreszeiten enttäuscht. Liora droht ihre Position unter den "Wettermachern" zu verlieren. Doch schließlich, eher zufällig als gezielt, gelingt es ihr, Winterwetter auszulösen, indem sie die richtigen Zutaten zusammenfügt: Sie ist der tatsächlichen Essenz, dem Wesenskern des Winters, endlich auf die Spur gekommen und kann damit erfolgreich die Nachfolge ihres Vaters antreten.
👍 >>>WAS MIR AN DER FANTASY-KURZGESCHICHTE GUT GEFÄLLT
Als ich begonnen habe, die Story zu lesen, blieb mir zunächst manches unangenehm vage, zu undeutlich, zu wenig detailliert ausgeführt. Kurz bevor sich das Gefühl allerdings in einer Art Unzufriedenheit bei mir manifestieren konnte, habe ich begriffen, dass es sich hier um ein Stilmittel handelt: Karolina Strauber serviert in ihrem Text kein in allen Einzelheiten ausgearbeitetes Bild, eher eine Skizze und damit viel Spielraum, um als Leser mitdenken, mitträumen, mitfantasieren zu dürfen. Nachdem ich das einmal begriffen hatte, empfand ich das Ganze beinahe wie eine den Winter symbolisierende Schneeflocke: ganz leicht, kunstvoll, in jedem Fall einmalig und schön, aber wenn man die Flocke greifen oder gar zu fest drücken will, bleibt von dem Zauber nichts übrig. So ähnlich ging es mir mit dieser in feinen Pinselstrichen gezeichneten Shortstory: Ich muss sie lassen bzw. lesen, wie sie ist, sie nicht vereinnahmen, sondern betrachtend genießen.
Vielleicht lässt sich das an einem Beispiel erklären: Da ist Lumi, eine Eisfüchsin und helfende Gefährtin von Liora. Als der Name das erste Mal im Text auftaucht, wird nicht erklärt, wer oder was das sei oder worin die Aufgaben der Figur bestehen. Halt ein bisschen nebulös. Schwer zu fassen, aber damit großartig zur Atmosphäre des Werks passend!
Mir persönlich gefällt dieser Kunstgriff gerade in einer Fantasygeschichte recht gut: Meiner Vorstellungskraft werden durch die Autorin keine Grenzen gesetzt. Viel Spielraum also für mein Kopfkino! Passt großartig zum Genre!
Die personifizierten Jahreszeiten, ihre Funktion, wie sie entstanden sind, wie sie tatsächlich Wetter und Klima beeinflussen – all das wird nur skizziert und das reicht am Ende aus, um gut zu unterhalten oder (anders betrachtet) all das unterhält gut, eben weil von der Autorin eher Denkanstöße als festgefügte Interpretationen kommen. Hat mir gut gefallen!
🚨 Achtung: Spoileralarm!
Leider sehe ich mich an dieser Stelle gezwungen vorwegzunehmen, worin Karolina S. die Essenz des Winters ausmacht. Sorry - also jeder kann hier noch aufhören zu lesen ... Falls nicht, kommt jetzt die Enthüllung:
Abgesehen von allen möglichen Essenzen (genannt werden im Text Düfte) und meteorologischen Gegebenheiten ist das Erleben von Gemeinschaft zwingend notwendig, damit es winterlich werden kann.
Clever arrangiert! So, wie der Klimawandel in meteorologischer Hinsicht uns des Winterwetters beraubt hat, gibt es auch eine soziologische Komponente, die inzwischen in weiten Teilen der Welt das Erleben eines Schneetages verhindert: Viele Menschen sind nur noch als Individualisten unterwegs, allein, nur persönliche Ziele verfolgend, unfähig zur sowie nicht interessiert an Gemeinschaft. Aber ohne Gemeinschaft kein Winter ...
Das ist die Botschaft, die bei mir persönlich aus dem Beitrag zur Anthologie angekommen ist. Prima konzipiert, weil mehrschichtig. Angemessene Sprache. Märchen meets Meteorologie, denn das "Fantasysetting" der Geschichte wird konsequent durchgehalten, um unsere gesellschaftliche und tatsächliche Großwetterlage zu erklären.
Übrigens: Nettes Wortspiel mit dem Begriff Essenz, der das eigentliche, innere Wesen einer Sache ebenso bezeichnet wie in der Chemie eine hoch konzentrierte Lösung von Stoffen, die duften oder schmecken können.
🎁 NEBENPRODUKTE
Anspruchshaltung, Gruppendruck, ein schwieriges Erbe antreten müssen, mit Misserfolgen umgehen, Durchhaltevermögen, die Einsicht, sich helfen zu lassen - das sind nur einige Themen, die die Kurzgeschichte ankratzt, ohne sie zu vertiefen.
📑 >>> FAZIT
Gelungen!
Liest sich leicht und angenehm, sodass ich der Gefälligkeit der Story fast auf den Leim gegangen bin, enthält aber in der Tiefe einen schönen Apell an jeden & jede: Wenn wir nicht neue Wege zueinander und in Gemeinschaften finden, saufen wir ab im grauen Einerlei, anstatt die brillante Schönheit beispielsweise eines verschneiten Winterwaldes äußerlich und innerlich ein wohltuendes Gefühl von Erfüllung in / durch Gemeinschaft genießen zu können.
Daher gerne fünf Sterne.
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Über das Buchprojekt und die Spendenaktion
Hier, was die Autorin selbst darüber sagt:
"Organisiert wird das Ganze von der Cinnamon Society, einem sozialen Verein, der regelmäßig Spendenanthologien zugunsten eines sozialem Zwecks herausbringt.
Die Spendenziele wechseln zwischen DE, AT und CH und werden von den Mitarbeitenden am Projekt demokratisch bestimmt.
Die Ausschreibungen sind bei den meisten Projekten offen für alle. Man muss also nicht vorher schon ein Mitglied im Verein sein, sondern kann sich erst bewerben und nach Annahme der Geschichte Teil des Vereins werden.
An Winterwaldträume haben 24 Autor*innen und unzählige Helfer im Lektorat, Korrektorat und Design gearbeitet.
Gespendet werden die Einnahmen an das Kinderheim360 in Runkel, welches sich auf die Betreuung von Kindern mit traumatischen Familienhintergründen spezialisiert hat.
(Das steht auch nochmal alles in der Einleitung zum Buch .)
🔊 Und hier die Buchkritik zu " zum Nachhören:
Teil 1:
Wer meine Podcasts abonnieren möchte, klickt bitte aufs Mikro:
🎙️
Impressum
1. Auflage 2023
Dieser Titel ist auch als eBook erschienen.
© 2023 Cinnamon Society
Gründerinnen: Anja Schöpf, Lara Pichler
Illustrationen: Nadine Koch (@nadine_koch_schreibt), Lena Zoe Dernai (@_nspken_)
Umschlaggestaltung: Elci J. Sagittarius (@mottengraphic) Satz: misa bookdesign, www.misabookdesign.de Lektorat: Ulrike Asmussen, www.lektorat-asmussen.de, Marie Mosch (@crows.of.ketterdam), Anna Marie Muß (@buechersindgefaehrlich) Korrektorat: Jace Moran (@dunkelwelten),
Kristina Butz, www.lektorat-kristinabutz.com, Matti Laaksonen, www.mattilaaksonen.de
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand, Norderstedt ISBN: 978-3-7583-0140-7
Links, die zu Infos über die Autorin führen
Bei dieser Rezension handelt es sich um eine Form unbezahlter Werbung.
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